Schule der Sterne
Wo der Koch-Nachwuchs besonders gefördert wird
PRESSEMITTEILUNG 11.01.2015 IM TAGESSPIEGEL
Von Felix Denk
Wenn doch nur jeder Tag so wäre. In einem Topf köchelt ein dunkler Fond für die Étouffée-Taube, in einer großen Pfanne schmoren runde Steckrüben-Scheiben auf kleiner Flamme, daneben bekommen ein paar Ananas-Stückchen in der heißen Pfanne eine dunkle Farbe, als der Fruchtzucker unter der Hitze karamellisiert. Ein Geruch von Gewürzen füllt die Großküche an diesem Mittwoch morgen, kurz nach zehn, in der Brillat-Savarin-Schule.
„Ein echter Feinschmecker, der ein Rebhuhn verspeist hat, kann sagen, auf welchem Bein es zu schlafen pflegte“, erklärte der französische Jurist und Pionier des kulinarischen Feuilletons Jean Anthelme Brillat-Savarin vor gut 200 Jahren.
Etwas von diesem Geist weht heute durch den Funktionsbau in Weißensee.
20 Auszubildende, Anfang bis Mitte 20, arbeiten an zwei großen Kochinseln. Sie tragen Kochjacken, weiße und schwarze, ein- und zweireihige, feste Schuhe, karierte Hosen, Hauben und Mützen, alle haben einen Löffel zur Hand. „Das ist ganz wichtig: Immer überall probieren!“, sagt Michael Kempf, der gerade pulverisierten Malventee in Nussbutter gerührt hat. „Das ist heute keine Kochshow. Das ist ein Workshop.“
Sähe so der Alltag in der Kochausbildung aus, hätte die Gastrobranche einige Sorgen weniger. Immerhin gibt mit Michael Kempf aus dem „Facil“ heute ein Spitzenkoch ein paar Küchengeheimnisse im Klassenzimmer preis. Kempf, 36, hat zwei Michelin-Sterne und 17 Punkte im Gault Millau, gehört zu den besten Köchen Deutschlands. Seine Mission: das Image der Kochausbildung zu heben.
Kein leichter Job. Rauer Ton, lange Schichten, schwere körperliche Arbeit, permanenter Druck, das alles für mäßigen Verdienst – der Beruf des Kochs gilt als hart. Am härtesten haben es die Azubis, die in der Hackordnung ganz unten stehen. Selbst heutige Branchengrößen erinnern sich nicht gern an ihre Lehrjahre. „Du bist nicht Muttis Wunschkind“, sei eins der zärtlichsten Dinge gewesen, die Tim Raue als Lehrling zu hören bekam. Cornelia Poletto musste so lange Zwiebeln schneiden, bis ihre Hände bluteten. Und Johan Lafer hat anfangs jeden Abend geweint – vor Heimweh und Anstrengung.
Darauf haben immer weniger Jugendliche Lust. In den letzten zehn Jahren haben sich die Bewerberzahlen bundesweit praktisch halbiert. Die Abbrecherquote liegt zwischen 40 und 45 Prozent. Nachwuchsprobleme haben auch Metzger, Bäcker und Restaurantfachleute – vulgo: Kellner/-innen. Doch in keinem anderen Ausbildungsberuf brechen so viele Lehrlinge ab wie bei den Köchen.
Es gibt also Handlungsbedarf. Selbst wenn Berlin etwas besser dasteht – die Abbrecherquote liegt hier nur bei rund 20 Prozent. Seit drei Jahren gibt es an der Brillat-Savarin-Schule das Leuchtturmprojekt Köche Plus. Es soll die Jahrgangsbesten fördern und so einen Anreiz für die Ausbildung schaffen. Neben Auslandspraktika, Unterrichtsprojekten und vertiefenden inhaltlichen Schwerpunkten kommen immer wieder illustre Gäste. Christian Lohse vom „Fischers Fritz“, ebenfalls zwei Sterne, war schon zweimal da.